Zwei Halbzeiten

Unser HANSA-Kolumnist über seine Erinnerungen an das alte Ostseestadion, seine Erlebnisse im eigenen Gästeblock und zwei unterschiedliche Halbzeiten im letzten Heimspiel des Jahres.

Eine wahre HANSA-Kurzgeschichte

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Hansa-Kolumne von Olaf Peters vom 04.01.2025

Es muss in der Aufstiegssaison 2006/07 gewesen sein (an den Gegner erinnere ich mich nicht mehr), als ich das erste Mal das Ostseestadion betrat. Wobei stimmt nicht, das Ostseestadion hatte ich schon oft betreten, aber eben nicht dieses das wir heute unser „Wohnzimmer“ nennen. Ins ursprüngliche, alte Ostseestadion war ich vor rund 30 Jahren das erste Mal mit meinem Vater gegangen. Danach habe ich, vor allem als Teenager, viele Heimspiele unseres FCH in den DDR-Ligen erlebt. Es folgten von Zwickau aus (Lehre im Sachsenring) noch diverse Auswärtsspiele und eine weit über zehn Jahre dauernde Abstinenz vom Fußball im Allgemeinen und von HANSA im Speziellen. Was zu dieser, mehr oder weniger gewollten, Abstinenz geführt hat, kann ich hier nicht erklären, das würde den Rahmen sprengen. Dummerweise führte diese Abwesenheit dazu, dass ich die größten Erfolge von HANSA nicht miterlebte: DDR-Meister und Pokalsieger, Tabellenführer der Bundesliga, Sieg über Barca, Bochum ‘99 … Egal, das legendäre 4:4 in Karlsruhe in der Saison 06/07 live im Stadion holte mich endgültig wieder zurück in die HANSA-Familie und an diesem Samstagnachmittag betrat ich mit meinem Bruder den Block 8 im Ostseestadion, schaute in die schöne Runde und stockte erschrocken beim Blick auf den Gästeblock. Unser Stadion steht ja genauso da, wie früher auch das alte Ostseestadion. Und als ich nun den Gästeblock wahrnahm, stach es mir ein wenig ins Herz, denn genau da standen wir früher, Block I. Das war unsere Ecke. Klar, lange war es her und mit heute nicht mehr zu vergleichen, aber ein bißchen weh tat es trotzdem. Mittlerweile habe ich hier, Gott sei Dank, viele geile Momente erlebt, so dass ich dem alten Leichtathletikstadion nicht mehr nachtrauere, aber mir fiel das alles wieder ein, als ich bei unserem letzten Spiel im Jahr 2024 gegen Hannover 2 war.

Quer durch Deutschland für eine Halbzeit im Ostseestadion

Die Idee fürs 4. Adventwochenende noch einmal quer durch die ganze Republik zu fahren, um die Familie in Teterow und HANSA im Ostseestadion zu besuchen, war schon früh entstanden. Nachdem der Spieltermin feststand, bestellte ich mir das Ticket für das letzte Spiel des Jahres. Dass das allerdings wirklich das letzte deutsche (Profi)Fußballspiel des Jahres 2024 sein würde, checkte ich erst nach der Bestellung und der Bezahlung. Da stand in der Zusammenfassung: Spielbeginn 19:30 Uhr. Zuerst dachte ich an einen Tippfehler, aber nein, auch kicker.de bestätigte diese (bescheuerte) Anstosszeit. Das Problem bei dieser Zeit ist, dass man mit dem Zug nach dem Spiel kaum noch aus Rostock wegkommt. Also prüfte ich meine Optionen und da ich keine Übernachtung in Rostock ran hängen wollte, blieben genau zwei übrig: Das Spiel bis zum Schluss gucken und anschließend nachts zwischen drei und sechs in Schwerin rumlungern. Oder zur Halbzeit gehen und dann einigermaßen normal durch die Nacht Richtung Südwesten düsen. Ich entschied mich für die zweite Variante, weil ich den Gedanken ganz spannend fand, eine Halbzeit lang das volle Ostseestadion unter Flutlicht zu erleben und die zweite Halbzeit per MagentaTV auf dem Handy zu verfolgen. Okay, einige schüttelten mit dem Kopf und zeigten mir den Vogel, als ich davon erzählte, aber egal: „Ich mach mein Ding“, in zweieinhalb Tagen 1.600 km mit der Bahn durch Deutschland für eine Halbzeit im Ostseestadion.

Am Freitagabend vorm Spiel begann um halb zehn meine Reise in Mannheim. Ausgerechnet der Hauptbahnhof in Hannover war nachts um zwei der erste Umsteigebahnhof. Ich hatte ein wenig Zeit, schlenderte durch den zugig-kalten, weihnachtlich-illuminierten Bahnhof, bis ich schließlich eine etwas windstillere Ecke fand und eine überdimensionierte Aldi-Werbung für Festtags-Lachs betrachtete. Und während ich mich fragte, wie natürlich dieser Lachs wohl gelebt hat, fiel mir plötzlich ein, dass mein Stadion-Ticket für Sonntag noch zuhause auf dem Schreibtisch lag. Shit! Vor meinem inneren Auge sah ich genau, wo das Ticket lag und das war nicht irgendwo in meinen Taschen, die ich mit meinem äußeren Auge gerade sehen konnte. Erschwerend kam noch hinzu, dass seit zwei Tagen auf allen HANSA-Kanälen verkündet wurde, dass das Ostseestadion quasi ausverkauft ist und durch die Öffnung des Gästeblocks  für uns (danke H96) eine Rekordkulisse angestrebt wurde. Gut für mich! Also klickte ich die HANSA-App an, FCH-ID, Ticket auswählen, Paypal und zack hatte ich ein (zweites) Ticket für dieses Spiel. Wißt ihr, ich gehöre zu denen, die immer noch ein „echtes“, papierenes Ticket für jedes Spiel haben wollen, aber in diesem Moment war ich heilfroh, dass es mittlerweile auch digitale Tickets fürs Handy gibt.

Erste Halbzeit im üblen HANSA-Gästeblock

Nach drei weiteren Umstiegen endete meine Hinfahrt überpünktlich in Teterow (zumindest nachts kriegt die Deutsche Bahn das hin, Respekt). Es folgte das übliche Advent-Programm: Familientreffen, französischen Sekt mit der Mutter trinken und Sonntagnachmittag Kaffee und Kuchen. Dann brach ich auf Richtung Rostock. Am Bahnhof besorgte ich mir Proviant für die Rückfahrt, verstaute den Rucksack im Schließfach und nahm die nächste S-Bahn Richtung Warnemünde. Am Holbeinplatz erwartete mich noch eine ganz besondere Begegnung. Ich traf den Macher dieser tollen Webseite, Martin, zum ersten Mal persönlich. Wegen meiner Texte für diese Webseite haben Martin und ich seit fast 17 Jahren eine Mail-Bekanntschaft, aber uns noch nie persönlich gesprochen oder getroffen. Nun war es endlich soweit und wir liefen gemeinsam den traditionellen Weg vom Holbeinplatz hoch zum Ostseestadion. Danke Martin für diese zwar kurze, aber sehr schöne Begegnung! Am Flut-belichteten Ostseestadion fielen uns dann die Massen von Menschen auf. Es waren noch gut zwei Stunden bis Spielbeginn und auf dem Nordvorplatz wimmelte es nur so vor HANSA-Fans. Und ich schreibe es gerne immer wieder: Wie bekloppt-geil ist das?! Am kalten 4. Adventsonntagabend kommen fast 30.000 Menschen zusammen, um ein Drittligaspiel gegen die Zweite von Hannover 96 zu sehen! Wahnsinn. Und mit diesem Gefühl ging ich dann auch hinter der kompletten Osttribüne entlang, drängelte durch die erwartungsvolle Vorfreude, bis hin zum Block I – ach nee, 19 = Gästeblock. Hier bekam meine prickelnde Euphorie dann allerdings einen ordentlichen Hau. Ich war als Gästefan schon in vielen Stadien von der 1. bis zur 3. Liga, aber solch einen Gästeblock habe ich noch nie gesehen: Die Gestaltung unter der Tribüne sieht aus, als ob man im Heimblock gelandet wäre. Die Klos sehen aus, als ob unser Auswärtsmob gerade „durchgewischt“ hat. Der einzige Bier/Bratwurststand arbeitet so „schnell“, dass ich lieber verzichtete, denn sonst hätte ich nicht nur „Mein Rostock“ und „HANSA forever“ sondern auch den Anpfiff verpasst. Die Sicht aufs Spielfeld im Block ist durch die, von außen, zugeklebten Scheiben alles andere als vollständig und die Nähe zu unserer brachialen Süd finden Gästefans, wahrscheinlich, wahlweise „anregend“ oder beängstigend. Egal, an diesem Abend war der Gästeblock fest in (heterogener) HANSA-Hand. Und der Rest des Stadions natürlich auch. Wie heterogen unsere Fanszene ist, konnte man schön an den beiden Choreos am Anfang des Spiels sehen. Gut, „schmerzfrei und besessen“ ist jetzt nicht unbedingt das Motto für mein Fandasein, aber beeindruckend sah es aus. Ein wenig beeindruckt wirkte auch unsere Mannschaft. Da war in der ersten Halbzeit doch viel ungenaue Hektik drin. Als Sigurd dann in unserem Strafraum zum Handballer mutierte, bekamen auch wir endlich mal was von der, eigentlich nicht existierenden, ausgleichenden Gerechtigkeit ab. Weniger Glück hatte Jonas Dirkner. Sein Sturz sah im Stadion noch brutaler als im TV aus. Ganz fette Genesungswünsche und alles Gute!!! Dann kam der Halbzeitpfiff und für mich begann der ungewohnte Teil dieses Stadionbesuchs. Zunächst drängelte ich mich wieder zurück Richtung Nordvorplatz durch all die Menschenmassen, die versuchten an Klos und Verpflegungsständen ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Dann die erste Treppe runter und ich schaute auf den „Findling-Platz“. Krass, vor nicht mal einer Stunde waren hier noch tausende Menschen unterwegs und jetzt sah es aus, wie der Marktplatz einer mecklenburgischen Kleinstadt abends um halb acht. Aber als ich die letzten Steinstufen runterging, kam zu diesem Anblick auch noch eine fast andächtige Ruhe dazu. Es war skurril, hinter mir das hell erleuchtete Ostseestadion mit 29.000 Menschen in der Halbzeitpause und vor mir eine adventliche Ruhe auf Platz und Straße. Faszinierend.

Zweite Halbzeit im Zug

Auf dem Bahnsteig am Holbeinplatz war die Liveübertragung des Spiels auf meinem Handy dann aktiviert. Und so ging es in der S-Bahn zum Hauptbahnhof, zu den Schließfächern und rein in den bereitstehenden Regionalexpress nach Hamburg. Ich war in meiner Naivität selbstverständlich davon ausgegangen, dass es in solch einem Zug Stromversorgung für die Endgeräte der Reisenden gibt?! Fehlanzeige. Aber noch war der Akku-Balken voll, ich hatte endlich nen Bier neben mir, im Zug war es warm und ich konnte das Spiel verfolgen. Allerdings nicht sehr lange. Ich hatte völlig vergessen, dass ja im deutschen, ländlichen Raum (ausdrücklich nicht nur in M-V) der Begriff „Funkloch“ eine andere Bedeutung hat: Hier bedeutet es, dass in der Fläche Funkstille ist und nur in einigen Löchern Funksignale empfangen werden können. Der Zug fuhr Richtung Schwaan und schon ging‘s los. In Güstrow lief es mal wieder kurz, aber bis Schwerin hatte sich die Magenta-App endgültig aufgehängt. Die Liveticker aktualisierten sich nicht mehr, der Akku wurde immer leerer und ich machte mir noch ein Bier auf. Okay, dachte ich, dann gehen wir halt mit nem Unentschieden in die Winterpause. Erst im Großraum der nächsten Hansestadt konnte ich die technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts wieder nutzen. Und, leck mich fett, HANSA hatte das Ding doch noch gewonnen! 1:0! Christian Kinsombi! Und zwar so, wie wohl nur er ein Tor machen kann! Prost. Als ich dann endlich im ICE Richtung Südwesten saß, habe ich mir die Zusammenfassung des Spiels noch dreimal reingezogen, bevor ich dann, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, selig weg dämmerte.

Aufstieg? Yes, we can!

Unser Trainer Daniel Brinkmann hatte gegen Ende der Hinrunde irgendwas erzählt von sieben bis zehn Punkte aus den letzten Spielen holen. Wenn ich richtig mitgezählt habe, waren es neun. Also Soll erfüllt. Nach diesem Spiel gegen Hannover sagte Brinkmann: Wenn wir die ersten drei Spiele der Rückrunde gewinnen, können wir über Aufstieg reden. Vor zwei Monaten hätte ich dafür noch nen dicken Vogel gezeigt, aber jetzt? Yes, we can! Ich plane schon mal den letzten Spieltag in Hannover ein, aber dann natürlich bis zum Abpfiff ;o)

AHU und Sport frei
vom Rhein an die Ostsee
Olaf Peters

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Von Olaf Peters

Olaf Peters, Jahrgang 1971, war mit sieben das erste Mal im Ostseestadion und leidenschaftet seit dem mit unserem FCH.

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