Eine wahre HANSA-Kurzgeschichte
Als das fünfte Tor gegen uns fiel, hatte ich die Schnauze voll. So eine Scheiß-Nicht-Leistung hatte ich ja schon seit langem nicht… Obwohl, plötzlich musste ich an das 1:4 gegen Wiesbaden vor zwei Wochen denken. Ach egal, ich verabschiedete mich flüchtig von den Anderen und verließ das arschkalte Benz-Stadion in Mannheim. In der Straßenbahn quetschte ich mich zwischen ziemlich gut gelaunte Waldhof-Fans, nahm am Bahnhof die nächste S-Bahn und war ne knappe Stunde nach Spielende wieder zu Hause. Gott sei dank war meine Liebste auf einem Geburtstag eingeladen, denn ich wollte niemanden sprechen und auch keine Nachrichten mehr lesen oder beantworten. Ich saß zwischen all den Plakaten und Shirts und Dingen mit der Kogge drauf in meinem Zimmer und versuchte den heftigen Frust über die Niederlage, irgendwie schriftlich in Worte zu fassen. Schnitt, genau eine Woche später. Ich bin wieder in meinem Zimmer mit all den HANSA-Sachen um mich herum. Es ist 13:30 Uhr und das Heimspiel gegen Dynamo beginnt in ner halben Stunde. Kurzfristig entscheide ich mich gegen das Langarm-Retro-Baumwollshirt der letzten Wochen und für das aktuelle, blau weiße „Flügel“-Trikot, das ich zum Geburtstag bekam. Außerdem ist heute noch Leia unser Gasthund bei mir. Ich habe die Wahl zwischen MDR, Magenta und NDR als „Übertragungsquelle“ dieses Ost-Derbys und entscheide mich für den MDR. Eik Galley kommentiert hier und ich mag den einfach gerne hören. Nicht nur hat er eine angenehme Stimme, auch seine Kommentare gefallen mir. Irgendwie erinnert das immer an alte (Oberliga-)Zeiten und Galley hat Respekt vor dem Spiel und den Spielern. Er sympathisiert heute eindeutig mit der SGD und trotzdem habe ich während des ganzen Spiels nie das Bedürfnis, irgendwas Richtung Fernseher zu werfen, wie sonst bei Bela Rethy und Co. Das Spiel beginnt aus HANSA-Sicht richtig gut, nachdem sich der blau-weiß-rote Nebel verzogen hat. Wir machen Druck, haben die Spielkontrolle und führen völlig zu Recht nach ner viertel Stunde mit 1:0 durch das (etwas glückliche) Tor von Nils Fröling. Dresden bekommt das Spiel danach zwar besser in den Griff, aber wirklich gefährlich wird das für uns nicht. Halbzeit, dampfen, Nachrichten schreiben, neues Bier holen, kann weitergehen. Oder doch nicht? Als ich wieder vor der Mattscheibe sitze, sind darin ziemlich irritierende Bilder zu sehen: Ein Herr Kutschke der sich mit allen anlegt, die zu HANSA gehören (Ordner, Trainer, Spieler), Polizei die in den Pufferblock geht und fast abgefackelt wird und Spieler beider Mannschaften, die wieder im Tunnel verschwinden. Nach ner dreiviertel Stunde geht es endlich wieder los. Wir sind weiter gut im Spiel, aber natürlich rennt Dresden jetzt an. Allerdings bekomme ich nach der zweiten SGD-Großchance das Gefühl, dass die heute keinen mehr rein machen. Und so ist es dann auch, nach 14 Jahren gewinnen wir endlich wieder ein Heimspiel gegen die „Sachsen“! Es folgen Nachrichten und Telefonate mit anderen, die irgendwo im Land ebenfalls vorm TV hockten und dann muss der Hund raus. Auf unserer Runde kommen wir an ein Feld mit freiem Blick bis zum Horizont. In dem Moment bricht die Sonne noch einmal durch die dünnen Schleierwolken und die Hänge des Pfälzer Waldes dort hinten am Horizont strahlen weißgolden im Dunst. Majestätisch, wunderschön und perfekt passend zu meiner Stimmung.
Zwei Wochenenden hintereinander, zwei Fußballspiele, zwei krass unterschiedliche Gemütszustände. „Tja“, werden einige denken, „so ist Fußball“ oder auch „Football, bloody hell“ um Alex Ferguson zu zitieren, und klar unter anderem deshalb lieben wir das Ganze ja so. Aber muss es denn immer so Achterbahn-mäßig rauf und runter gehen? Zumal ich mittlerweile in einem Alter bin, in dem man nach solchen Spielen nicht mehr zur Bier-plus-Korn-Beruhigungstherapie greift (Pfeffi zählt hier ja wohl nicht). Ich meine so eine gepflegte Siegesserie von 10 bis 12 Spielen am Stück würde auch für grenzenlose Freude und gleichzeitig eine Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems sorgen. Aber nicht mit HANSA.
HANSA-Auswärtsspiele zu Hause
Dabei begann das Jahr richtig gut. Es war früh klar, dass ich unsere ersten drei Auswärtsspiele live erleben würde. Los ging es gegen die Zweite vom VfB in Großaspach. Für mich ist Großaspach übrigens der Inbegriff für Fußball in der Pampa, also oberhalb der Regionalligen. Schon in der S-Bahn nach Backnang (!) hat man ständig das Gefühl, die nächste Haltestelle is ne Milchkanne. Aber im Bus nach Aspach und am „Andrea-Berg-Stadion“ gehts kaum dörflicher, inklusive matschigem Parkplatz aus dem man, nach dem Spiel, von einem hilfsbereiten Bauern mit seinem Trekker gezogen wird. Aber egal, als wir im Januar dort spielten, schien die Sonne, die Stimmung war geil und drei Punkte nahmen wir auch mit. Da war es auch zu verschmerzen, dass ich mir beim Warten auf der Großbaustelle Stuttgart 21 ne Erkältung einfing. Dann folgte das, schon erwähnte, 1:4 gegen Wiesbaden zu Hause. Zu dem Zeitpunkt dachte man noch an einen Ausrutscher, denn in Dortmund auswärts gelang der nächste Sieg, mit einem weiteren Jokertor von Chris Kinsombi. Das war übrigens mein Geburtstag und ein schöner: Dank der üblichen Bahnproblemen konnte ich ohne Weiteres von IC auf ICE upgraden, das Stadion „Rote Erde“ hat viel nostalgische Patina (und noch echte Kassenhäuschen mit Verkäufern drin!) und auch das deutsche Fußballmuseum am Bahnhof war einen Blick wert. Das anschließende Unentschieden gegen Victoria Köln zu Hause war dann doch ziemlich „spielgerecht“ und das Auswärtsspiel gegen den Waldhof braucht man nicht nochmal erwähnen. Es reicht wenn man Montag zur Arbeit kommt und einem freudige Häme entgegen lacht.
Ostderby. Was bitte war das wieder für eine Scheiße?!
Aber auf das anschließende „Ostderby“ gegen Dresden muss ich leider doch nochmal zu sprechen kommen, denn trotz des geilen Siegs ging es nach dem Spiel (wiedermal) nur um idiotisch-gefährliche Aktionen beider Fanlager in der Halbzeitpause. Ich war froh, dass am nächsten Tag die Wahl stattfand, so sah man die Bilder wenigstens nicht noch bundesweit in der Tagesschau. Was bitte war das wieder für eine Scheiße?! Eine Rakete (oder was auch immer) beim Aufwärmen aufs Spielfeld schießen? Dem Typen soll die Hand abfaulen! Vom Block 8/9 aus den Gästeblock stürmen ohne Rücksicht aufs eigene Stadion und andere HANSA-Fans? Gehts noch! Blocktrennungen abmontieren und die Bullerei beschießen? Wie dämlich ist das bitte! Wenn ich solche Bilder sehe, dann fällt mir immer der Satz mit „nicht genügend essen können und kotzen“ ein. Lächerlich war auch, direkt nach dem Spiel, das Kindergarten-mäßige „Ihr habt angefangen! Nein, ihr!“. Ich erinnere nur an das Hinspiel mit einer riesigen Dynamo-Choreo unter dem Motto „Die Jagdsaison ist eröffnet“! Wegen solcher Motive gehen in Deutschland reiche weiße Männer vor Gericht und bekommen auch noch Recht. Könnt ihr eure Schwanzvergleiche nicht auf der Wiese austragen? Oder euch mit geilen Choreos gegenseitig übertreffen? Ich glaube, es wird (wieder) deutlich, dass ich keinerlei Verständnis für diesen ganzen Mist habe. Und die Gemeinde Unterhaching auch nicht. Die verbot gleich mal unser nächstes Auswärtsspiel gegen die ortsansässige SpVgg. Offiziell natürlich nicht wegen der Ereignisse im Ostseestadion, aber als gestern Abend (nur 10 Tage später) Verl zu Besuch war, da konnte das Spiel plötzlich stattfinden. Aber klar, bei diesem Spiel kamen auch keine 2.000 HANSA-Hotten vorbei. Die Spielabsage führte dazu, dass wir nun drei Heimspiele hintereinander hatten. Zuerst gegen Dresden (1:0), dann gegen Malone-Ingolstadt (2:0) und gestern Abend gegen Härtel-Aue (4:1). Vor allem der Sieg gegen Wismut war einfach nur geil. In der ersten Halbzeit spielten wir einen Fußball, da musste man nicht mal in die parallel laufende Champions League schalten – berauschend. Und wer es noch nicht mitbekommen hat: HANSA hat noch nie (inklusive DDR-Oberliga) in einer Saison gegen Aue das Hin- und Rückspiel gewonnen – historisch. Und am Wochenende steht, nach vier Wochen (!), mal wieder ein Auswärtsspiel an. In Aachen, wo man sich ernsthaft fragt, ob man vor unserem Besuch den von Dynamo-Fans zerstörten Auswärtsblock überhaupt herrichten soll. Auch beschämend.
Aber ich möchte nicht negativ enden, dazu macht HANSA im Moment einfach viel zu viel Freude. Die Mannschaft, mit allem was dazu gehört, gerade zu erleben, ist einfach nur geil. Und wenn es doch noch mit den zehn bis zwölf Siegen am Stück klappt, dann spielen wir eben nächste Saison wieder 2. Liga! Gerne. Aber auch das Drumherum ist schön: Wir haben bei den Mitgliedern die 29.000-Marke geknackt und einen neuen, gewählten Aufsichtsrat. Die neuen Flutlichtmasten entstehen und die dazu gehörige Spendenaktion der Fanszene läuft mega. Der Halbjahres-Trikotsponsor „Flügel“ bringt anscheinend Glück. Das Ostseestadion ist immer voll – HANSA-Herz was willst du mehr? Auch in Aachen gibt es drei Punkte zu holen…
AHU und Sport frei
vom Rhein an die Ostsee
Olaf Peters