Das Ostseestadion lebt

Ich hatte am Dienstag eine interessante Begegnung in Heidelberg. Dort traf ich Menschen die einen Sport betreiben, von dem ich bisher dachte, es wäre eine reine Zeitvertreibung von Leuten im Rentenalter mit viel Zeit und Rotweindurst die in Frankreich leben.

Ich hatte am Dienstag eine interessante Begegnung in Heidelberg. Dort traf ich Menschen die einen Sport betreiben, von dem ich bisher dachte, es wäre eine reine Zeitvertreibung von Leuten im Rentenalter mit viel Zeit und Rotweindurst die in Frankreich leben. Die Rede ist von Boule, dem Spiel mit den drei Metallkugeln und dem Schweinchen aus Holz, das mich immer ein bisschen an das nordische Eisstockschießen erinnert (das Spiel, nicht das Schwein!). In den Gesprächen erfuhr ich erstmals, dass dieser Sport weltweit betrieben wird, mit Weltmeisterschaften zum Beispiel in Thailand und Kanada, dass man in Frankreich bei Turnieren richtig Geld mit Boule verdienen kann und es in Deutschland mittlerweile eine Bundesliga mit zwölf Mannschaften gibt. All das ist vielleicht nicht weiter verwunderlich, wenn ich nicht auch erfahren hätte, dass seit der Ligaeinführung immer mehr Spieler auftauchen, die das Ganze nur noch als Leistungssport betrachten und betreiben. Die Traditionalisten beklagten sich, dass bei diesen Leistungssportlern wesentliche Aspekte des Boulespiels gar nicht mehr existieren. Dass Boule zum Beispiel Ausdruck einer Lebenseinstellung ist, dass es nicht nur aufs Gewinnen ankommt und dass zur hohen Konzentration immer auch der lockere Umgang mit den Mit- und Gegenspielern gehört (wie gesagt, viel Zeit und Rotweindurst).

Etwa in dieser Ecke des Gesprächs fiel mir die aktuelle Fußball-Bundesliga, jüngste Ereignisse bei HANSA und der Wutknilch Hoeness auf der Jahreshauptversammlung der Bayern ein. Warum? Was die Boulespieler da erzählten, klang sehr nach Geschichten aus den Zeiten in denen die Ligen in Deutschland eingeführt wurden (und gerade wieder eingeführt werden). Sobald sich der Sport eine kommerziell vermarktbare Struktur gibt, tauchen sie auf, die Menschen die das „Höher, Schneller, Reicher“–Prinzip anscheinend mit der Muttermilch verabreicht bekommen haben, die sämtliche anderen Aspekte, die der jeweilige Sport auch noch beinhaltet, völlig ignorieren und nur noch das Leistungsprinzip leben. Versteht mich nicht falsch, erfolgreich sein gehört für mich absolut zum Fußball dazu. Ich hasse Spiele bei denen es um alles Mögliche nur nicht ums Gewinnen geht. Aber erfolgreich sein bedeutet halt mehr, als „nur“ der Beste zu sein (oder den größten Gewinn nach Steuern im letzten Jahr gemacht zu haben).

Erfolgreich ist ein Verein auch, wenn er eine ganze Stadt oder Region begeistert, wenn seine Mannschaft ein Spiel mit Willen dreht und unentschieden spielt oder wenn er anerkennt, dass der Fan nicht nur Kunde, sondern neben dem Spieler, die zweitwichtigste Kraft im Fußball ist. Und dass der deutsche Profifußball in völlige Schieflage geraten ist, das konnte man auf der Jahreshauptversammlung des FCB (bzw. aus den Ausschnitten, die man in den Nachrichten zu sehen bekam) wunderbar beobachten. Da labert ein Fan von Scheißstimmung in der Angeber-Arena und irgendwas über Eintrittspreise (ein Ohrenzeuge schrieb in einem Forum: „ganz sachlich“) und plötzlich rastet dieser Wurstfabrikanten-Manager völlig aus. Okay, dass er verbal ziemlich entgleiste und beleidigend wurde, das schiebe ich jetzt mal in die Kiste bayerische Folklore, aber WAS er da gesagt hat, macht so was von deutlich, dass dieser Typ nur noch das Geschäft im Kopp und mit dem Fan (egal ob Ultra, Familienvater oder seit 40 Jahren Vereinsmitglied) gar nichts mehr gemein hat. Der rafft gar nicht mehr, was der normale Stadiongänger erwartet (und erwarten darf). Auf jeden Fall kein Werbespektakel für Jedermann bei dem zwischendurch auch noch ein paar Fußballer in der Arena auftreten dürfen! (American Football ist ein anderer Sport und wird vor allem in einem anderen Land bevorzugt.)

Über all diese Beobachtungen könnte man herzhaft lachen, wenn sie nur Vereine aus diesem komischen Freistaat beträfen, aber ihr wisst so gut wie ich, dass das nicht der Fall ist. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass die Bosse der meisten Profivereine gerne wie ihre Kollegen vom FCB wirtschaften, und denken, würden. Die Ereignisse im und um das Ostseestadion in den letzten Wochen zeigen mir leider, dass das wohl auch auf die Führung des FC HANSA zutrifft. Um so geiler war es am Samstag in der Sportschau zu erleben, dass das Ostseestadion wieder in allen Kurven b(l)ebt (und die Mannschaft ab diesem Zeitpunkt begann zu gewinnen). Ehrlich, danke an alle die, die da mitgemacht haben, es fühlte sich selbst vorm TV noch mächtig an!

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Von Olaf Peters

Olaf Peters, Jahrgang 1971, war mit sieben das erste Mal im Ostseestadion und leidenschaftet seit dem mit unserem FCH.

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