Betrachten wir mal das Für und Wider. Die Gegner der Umbenennung führen, unter anderen, das Argument Tradition ins Feld. Was ist das eigentlich? Auch ich stand mit sechs Jahren (das ist 30 Jahre her) zum ersten Mal im Ostseestadion und wurde vom „Virus“ Hansa befallen. In meiner Erinnerung sind Fetzen von diesem ersten Mal übrig geblieben: ein volles Stadion, über 30 000 Menschen, von denen der größte Teil das ganze Spiel über stand, es regnete und als ich pinkeln musste, schickte mich mein Vater den Hang runter und ich erleichterte mich an einem Baum. Später als Halbstarke standen wir alle zwei Wochen in der Fankurve und fühlten uns wie Ultras, obwohl es die damals in Deutschland noch gar nicht gab. Heute steht an der gleichen Stelle (schon viel wert, siehe Mainz) ein modernes Klassestadion das zu unserem Club passt. Nur wie viel hat dieses Stadion noch mit dem gemein, das ich aus meiner Kindheit und Jugend kenne? Ich bringe dieses Beispiel nicht, um das Argument Tradition vom Tisch zu bekommen. Im Gegenteil, ich bin auch dagegen, dass Tradition im „modernen Fußball“ keinen Wert mehr hat (siehe dazu die aktuelle 11 Freunde-Titelgeschichte). Aber Tradition ist eben eine etwas schwammige Angelegenheit. Natürlich macht man sie an Jahreszahlen, Vereinsfarben oder eben Namen, wie Hansa und Ostseestadion, fest, aber entscheidend ist, dass man Tradition empfindet, im Herz und im Bauch. Im Grunde ist Tradition so was wie ein Gefühl. Und Gefühle bzw. Empfindungen haben im „kalten“ Fußball-Geschäft einen schlechten Stand, erst recht wenn es um Millionen von Euro geht. Und damit bin ich bei den Befürwortern einer Stadionumbenennung. „Einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr“ hieß es in der Presse. Ne Menge Holz! Natürlich, Geld allein garantiert keinen sportlichen Erfolg, das ist ja das Geile am Fußball. Aber mit nen paar Mille mehr im Jahr, kann man sicher besser planen und arbeiten. Und das gilt natürlich für so einen „klammen“ Verein wie unserem FC Hansa mindestens doppelt.
Wisst Ihr, ich kenne die Einstellung von Fans die sagen: „Lieber 2. Liga spielen, als sich verkaufen!“ Ich habe Respekt vor dieser Einstellung und kann sie auch verstehen. Mein Herz wird auch noch für Hansa schlagen, wenn sie dritte Liga spielen würden. Aber wenn ich ehrlich bin, dann will ich, dass mein Club in der Bundesliga für Unruhe sorgt und den „großen“ Vereinen immer wieder ans Bein pisst! Deswegen singen wir doch so gerne „Nie mehr, nie mehr…“
So weit, so verständnisvoll zu allen Seiten. Und nun? Ich habe da eine kleine Vision: Überall in Bundesliga-Deutschland verschwinden die traditionsreichen Stadionnamen und werden durch bescheuert klingende Sponsorennamen ersetzt. Nur in Rostock findet der Verein einen Sponsor der sowohl dem Club finanziell ordentlich unter die Arme greift, als auch die „Marke Ostseestadion“ zu schätzen weiß. Und offiziell heißt das heimische Stadion dann zum Beispiel „Scandline-Ostseestadion“. Ich könnte mit solch einer Lösung leben.
Am Ende muss ich noch den kulturhistorischen Klugscheißer raushängen lassen. Das Wort Arena ist lateinisch und bedeutet schlicht Sand. Sand der früher das Blut der Sklaven in den römischen Arenen aufsaugen sollte. Stadion dagegen ist griechisch und bedeutet Sportanlage mit Zuschauerplätzen. Wer also aus einem Stadion eine Arena macht, widmet eine Sport- in eine Kampfanlage um! Und das will doch nun wirklich niemand, oder?
Der Anlass des Schreibens
Natürlich geht es auch bei mir um die Stadionumbenennung. Ich wohne im Südwesten der Republik und kriege daher die tagesaktuellen Meldungen aus Rostock nicht so mit. Das Pagelsdorf-Interview im „kicker“, in dem er sich klar für einen Namensrechteverkauf aussprach, ließ mich zum ersten Mal aufhorchen. Und als ich einige Hansa-Fan-Webseiten besuchte, bekam ich dann Gewissheit: Stadionumbenennung, nun also auch in Rostock! Na super, und nun?