Ich komme gerade durchgeschwitzt vom Bolzplatz und angesichts meiner Trefferquote fiel mir wieder ein Gespräch ein, das ich mal nach einem Stadionbesuch mit meinen Jungs (und Mädel) vom Fanclub „Südwestkurve“ geführt habe. In dem Gespräch ging es um die „wahnsinnig kompetenten“ Äußerungen einiger Stehnachbarn von uns. Ich finde man sollte, statt übertriebener Leibesvisitationen an den Stadioneingängen, Nachweise über aktuelle, oder zumindest vergangene, fußballerische Aktivitäten verlangen. Falls solche nicht vorliegen, bekommt der Besucher ein Blatt mit Texten von Fangesängen und Sprechchören. An diese hat er sich zu halten, bei dreimaligem Verstoß – Stadionverbot (Und Richtmikrofone in den Stadien würden wirklich Sinn machen). Das ist jetzt natürlich ein wenig übertrieben, aber seid doch mal ehrlich, was manche Zeitgenossen beim Spiel für fußballerische Blödheiten (nicht Weisheiten) von sich geben, geht auf keine Kuhhaut. Da hört man sofort, daß derjenige noch nie einen Ball getreten hat und sein sogenanntes Wissen aus der Sport-Blöd und vom Stammtisch bezieht. Also ihr „Trainer“: entweder Klappe halten, oder Schlappen anziehen und selber spielen!
So wie die HANSA-Jungs am Samstag im Ostseestadion gegen Dortmund. Leider mußte ich das Spiel mal wieder aus der Ferne verfolgen, sprich zu Hause und per Hörfunkkonferenz. Dabei fiel mir übrigens auf, daß, egal welches Medium man benutzt (Internet, Kabel, Radio), der besondere Reiz dieser Konferenzen sich nie verändert. Ich bin dabei immer schnell wieder in meiner Kindheit: Samstagnachmittag im elterlichen Garten, mein Bruder und ich trampeln den Rasen kaputt, weil wir Fußball spielen und im alten Transistorradio läuft die Oberligakonferenz. Oder denke an eine Geschichte, die mir eine Freundin mal erzählte: Ebenfalls Samstagnachmittag, Familienausflug mit dem Auto, bei dem ein Gespräch unmöglich war, weil der Vater keine Sekunde der Radiokonferenz verpassen durfte. Ach wie schön war doch die Kindheit…
Aber zurück in die Gegenwart. Ich hörte von einem deutlich besser spielendem FC HANSA, von Großchancen und einem 0:1-Endstand (ausgerechnet Federico!). Mein Bruder, der das Spiel im Bezahlfernsehen live erlebt hatte, bestätigte mir das Alles nochmal telefonisch. Scheiße! Trotzdem schaute ich mir die Zusammenfassung in der Sportschau an. Und da erlebte ich an mir etwas ziemlich Seltsames: Vorallem bei der „Pfosten, Pfosten, Kopf-nicht-mehr-hintern-Ball-kriegen Chance“ von Agali und dem genialen Heber von Kern auf die Latte, dachte ich bei allen Wiederholungen ernsthaft: ‚Jetzt muß der Ball doch endlich reingehen!‘ Ich meine, mir war klar, daß das Spiel 0:1 geendet war und trotzdem glaubte ich, daß eine unserer Chancen doch noch zum Tor führen würde. Danach grübelte ich kurz darüber nach, ob ich mittlerweile an einem krankhaften Realitätsverlust leide, kam aber zu dem Schluß, daß das alles nur gelebtes „Prinzip Hoffnung“ ist. Ein älterer Song der Hip Hop-Combo „Kinderzimmer Productions“ beschreibt das sehr schön:
„…er sieht aus Prinzip Hoffnung ‚Free Willy‘ einmal am Tag / und auf die Frage wofür das denn nun wohl gut sein mag / gibt er zurück: das ganze ist ein Test, so stelle ich fest wieviel Spielraum für Hoffnung mir das Leben noch lässt / du siehst den Film einhundert Mal und kennst das Ende / und weißt Wal springt über Kind der Film wird zur Legende / und doch beim hundertersten Mal / hast du noch Hoffnung: diesmal landet das Balg unter dem Killerwal…“
Es sind noch 30 Spieltage!