EM 2008-Märchen: Modern ist, wenn man gewinnt

Es ist wieder soweit: Nachdem das Finale 2004 eher eine Enttäuschung war, stehen sich in diesem Jahr endlich wieder große Fußballnationen im Endspiel gegenüber (ja ja ich weiß, es gibt keine Kleinen mehr.

Es ist wieder soweit: Nachdem das Finale 2004 eher eine Enttäuschung war, stehen sich in diesem Jahr endlich wieder große Fußballnationen im Endspiel gegenüber (ja ja ich weiß, es gibt keine Kleinen mehr. Egal!): Spanien und Deutschland. Die Boulevardpresse beider Länder hat in den letzten Tagen die ewig gleichen und völlig uninteressanten Kriegsandrohungen und Weltuntergangsszenarien bemüht, die Ticketstückpreise erreichten bei ebay die Höhen von Ablösesummen für 11-jährige brasilianische Wunderkinder und die Bundeskanzlerin fühlt sich, nach ihrem Motivationserfolg bei Bastian Schweinsteiger, genötigt der gesamten deutschen Mannschaft Ratschläge-sms zu schicken. So kommt es, dass während der intensiven Konzentrationsphase in der Kabine plötzlich ständig ein Handy läutet (das edle Samsungteil vom Capitano meldet sich übrigens mit dem erzgebirgischen Volkslied: „a Vugelbeerbaam“). Dem Bundestrainer reicht es irgendwann und er fordert lautstark: „ab jetzt högschde Disziplin!“ Nun sind es nur noch wenige Minuten bis zum Anpfiff dieses wichtigsten Spiels des Jahres. Und während sich im ausverkauften (abgesehen von den üblichen leeren Sitzschalen im VIP-Bereich) Ernst-Happel-Stadion die Fans auf den Rängen gegenseitig heiß singen, sogar der DFB-Fanclub hat neben „Schland, Schland“ mittlerweile einige Lieder einstudiert, steigt in den Katakomben spürbar die Anspannung. Beide Mannschaften stehen in Reihe bereit und warten auf das Kommando des UEFA-Klemmbrett-Mannes. Der UEFA-Mann schaut allerdings seit geraumer Zeit auf seine Uhr (so als ob er die Kreisbewegung des Zeigers das erste Mal erleben würde), aber dann ist es soweit, der Klemmbrett-UEFA-Mann hebt den Kopf und ruft das entscheidende Kommando: „Kinder greifen, los geht’s!“. Der Tross setzt sich Richtung Spielfeld in Bewegung und über die Stadionlautsprecher sind die ersten Akkorde von „Seven Nations Army“ der White Stripes zu hören. Sofort ertönt aus 53 000 Kehlen das allseits bekannte „OohOohOhOhOhOooh“, doch plötzlich verstummt die Stadionanlage und wie aus dem Nichts stehen die Geschwister White, mit Gitarre und Schlagzeug, im Mittelkreis und fordern mit Hilfe eines Megaphons ihre Tantiemen für die Ausstrahlung von „Seven Nations Army“ bei der Europameisterschaft. Die UEFA war einen illegalen Deal mit der GEMA eingegangen, bei dem die Künstler nicht bedacht werden sollten. Während nun Jack White in unverständlichem Ostküsten-Slang seine Forderungen raus brüllt (und dabei auch das Weltklima, die US-Präsidentenwahl und die Probleme der Marssonde anspricht), tauchen an allen Enden des Spielfeldes ungezählte UEFA-Klemmbrett-Männer auf und bewegen sich gleichmäßig auf die White Stripes zu, ohne dabei den Blick von ihren Uhren zu wenden. Die Bilder die von den Kameras eingefangen und in die Welt hinaus gesendet werden, erinnern sehr stark an Szenen aus „Matrix Re-Re-Reloaded 2.0“. Bevor die Klemmbretter die White-Geschwister endgültig erreichen, landet, an einem Fallschirm hängend, Goleo im Mittelkreis. Dieses hosenlose, bemitleidenswerte Ex-Maskottchen stellt sich der immer aggressiveren Situation in den Weg und deeskaliert: Die UEFA-Männer morphen sich zu Flix und Trix, den Maskottchen der EM und Jack White’s Schwester verkündet, dass sie auf ihre Forderungen verzichten, wenn sie die falsche Tonlage der Zuschauer beim Singen des „OohOohOhOhOhOooh“ korrigieren dürfen. Den UEFA-Verantwortlichen reicht es nun und die neongelb-bewesteten Security-Leute am Spielfeldrand (die von all dem nichts mit bekommen hatten, da sie ständig auf die Ränge stierten) bekommen über ihre Ohrknöpfe den Befehl „Flitzer“. Sofort setzen sich sechs neongelbe menschliche Wandschränke Richtung Mittelkreis in Bewegung und befördern die White Stripes, samt Instrumente, per American Footbal-likem Bodycheck vom Rasen. Der Stadion-DJ übernimmt wieder die akustische Hoheit und ignoriert jetzt die Vorgaben der UEFA. Es erklingt der einzig wahre Fußballsong „Three Lions“ und die Mannschaften betreten das Spielfeld. Erst Tage später wird man erfahren, dass im Goleo-Kostüm Heidi Klum vom Himmel schwebte, das Kostüm im Brustbereich einen Reißverschluss hatte und wir die Deeskalation in diesem Moment vor allem dem neuen BH-Modell von Victoria’s Secret zu verdanken hatten. Nach dem kollektiven Summen der spanischen und Gröhlen der deutschen Nationalhymne wird das Finale endlich angepfiffen. Die deutsche Mannschaft steht (wiedermal) völlig neben sich und lässt das elegante Kurzpassspiel der Spanier bis hinein in den eigenen Strafraum ungestört zu. Folgerichtig führt Spanien zur Halbzeit mit 2:0 durch Tore von Torres und Villa (der eine Stunde vor Anpfiff, wie durch ein Wunder, als doch einsatzbereit gemeldet wurde). Die Spieler verschwinden, nach der Standart-Nachspielzeit von einer Minute, trotz völlig unterbrechungsfreier erster Halbzeit, in den Katakomben und in der spanischen Kurve beginnen die Fans schon den ersten internationalen Titel seit, gefühlten, 120 Jahren zu feiern. Davon bekommen die Milliarden Fernsehzuschauer allerdings nichts mit, da der Hausmeister des internationalen Pressezentrums in Wien mal wieder vergessen hat, Diesel für den Notstromgenerator zu besorgen. Diesmal dauert die Unterbrechung der Übertragung fast eine Viertelstunde. In München hat sich schon nach den ersten Minuten des Spiels Jürgen Klinsmann ans Telefon gehängt und zuerst den Bayern-Learjet geordert, sowie mit Mannheim telefoniert. Wenige Minuten später startet er mit Ziel Wien und Zwischenstopp in Mannheim, wo Xavier Naidoo zu steigt. In Wien gelandet fahren die Beiden direkt zum Happel-Stadion und schaffen es unbemerkt in die deutsche Kabine. Dort herrscht wegen der desolaten Leistung in der ersten Halbzeit ratloses Schweigen, selbst bei Oliver Bierhoff. Klinsi und Xaver hatten das erwartet und wie verabredet singt Naidoo nun „Dieser Keks wird kein weicher sein“ (Otto) und Jürgen beginnt mit einer seiner WM’06 Reden. Dummerweise hat er das falsche Skript mitgenommen und spricht als ob wir gerade das Finale gegen Italien verspielt hätten. Die deutschen Spieler sind plötzlich ganz ruhig, regungslos für einen Moment und dann platzt ihre Wut heraus: Schweinsteiger bricht, mit einem an Zidane geschulten Kopfstoß, Naidoo das Nasenbein, die Nutella-Jungs knebeln Jürgen Klinsmann mit einem Schienbeinschoner und die alte Garde um Frings und Ballack halten die aktuellen Trainer in Schach. Lukas Podolski bespringt daraufhin einen Tisch und hält eine flammende Rede an die Mannschaft. Keiner der Anwesenden konnte später den Inhalt der Rede wiedergeben, jeder sprach von: „Ja nä, und so, nä!“, aber alle bestätigten, dass sie danach motivierter denn je waren. Als die deutsche Mannschaft zur zweiten Halbzeit den Rasen betritt, ist sie eine andere. Es beginnt ein 45 minütiges Powerplay auf das spanische Tor. Die deutsche Abwehr ist praktisch nicht mehr vorhanden, genauso wie der spanische Angriff, so dass es sich Jens Lehmann ab der 60. Spielminute im Mittelkreis bequem machen kann. Im spanischen Strafraum bewegen sich fast mehr weiße als rote Trikots und Jogi Löw steckt sich in der Coaching-Zone eine Kippe nach der anderen an. Der spanische Torwart Casillas hält zwar viele mögliche und auch unmögliche Bälle, trotzdem steht es nach 94 Minuten (UEFA-Standart-Nachspielzeit für die 2. Halbzeit: drei Minuten) 2:2. Zweimal trifft Klose mit dem Kopf, in dem er nicht ablegt sondern selbst verwandelt. Die Verlängerung ist geprägt vom Luft holen der Deutschen und gelegentlichen Kontern der Spanier, bei denen sich Jens Lehmann auszeichnen kann, aber ein Tor fällt nicht mehr. Also muss das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen, wer die beste Nationalmannschaft in Europa ist. Der Bundestrainer traut sich nach dem Erlebnis in der Halbzeitpause gar nicht mehr die Spieler für das Schießen zu bestimmen, darum übernimmt Monika Lierhaus den Job. Bei der Seitenwahl verliert Michael Ballack und die spanische Kurve freut sich so sehr, dass Manolo’s Trommel kaputt geht. Die beiden Mannschaften üben, links und rechts vom Mittelkreis, den Schulterschluss, während sich die Torhüter zum Vollstreckungsort begeben. Dabei fällt auf, dass Lehmann verwirrt in einem A4 großen Stenoblock blättert. Er tut das übrigens auch vor jedem spanischen Elfer, was wiederum die Schützen so irritiert, dass sie keinen einzigen verwandeln. Die Deutschen dagegen treffen so sicher wie immer und werden verdient Europameister 2008. Günther Netzer ist so sehr gerührt, dass er Gerhard Delling seine Liebe gesteht und am Ende des Abends liegen sich die Beiden vor laufenden Kameras in den Armen, genauso wie ganz Deutschland. Frau Merkel wird sogar mit einer schwarz-rot-gelben Perücke am Brandenburger Tor gesichtet. Die Sport-Bild veröffentlicht zwei Tage nach dem Finale nicht nur ihren sonst üblichen Blödsinn, sondern auch exklusiv das Geheimnis von Lehmanns A4 Stenoblock: Nach der Erfahrung bei der WM vor zwei Jahren hatte Andi Köpke unser Torwarttrainer die Schußgewohnheiten sämtlicher Spieler aller teilnehmenden Nationen beobachtet, inklusive Torwächtern und Trainer, und sie in diesem Stenoblock notiert. Am Ende des Spiels fand Köpke allerdings weder einen Zettel noch einen Bleistift, worauf hin er Lehmann den ganzen Block in die Hand drückte. Laut der exklusiven Sport Bild-Berichterstattung hat Jens Lehmann übrigens in diesem Stenoblock während des ganzen Elfmeterschießens nach den Schußgewohnheiten der Spanier gesucht, aber die Seiten gar nicht gefunden.

Ironie des Schicksals denkt sich der Autor und beginnt die WM 2010 schon mal ins Auge zu fassen.

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Von Olaf Peters

Olaf Peters, Jahrgang 1971, war mit sieben das erste Mal im Ostseestadion und leidenschaftet seit dem mit unserem FCH.

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