„Wir müssen mit aggressiver Geduld spielen“, hatte der neue HANSA-Chefcoach Kostmann vor dem Spiel gegen Duisburg gesagt. Als ich das las, fragte ich mich, wie die wohl aussehen soll, die „aggressive Geduld“, denn irgendwie klingt das doch wie ein Widerspruch in sich? Nach dem Spiel wusste ich das zwar immer noch nicht so genau, aber egal, wir konnten endlich unseren ersten Sieg in der Rückrunde feiern! 3:1, dazu noch das starke Spiel vorher in Paderborn und drei HANSA-Spieler in der kicker-Elf des Tages, hoffen wir mal dass das jetzt endlich die sportliche Wende nach oben bedeutet und kommen damit zu den anderen Aspekten des Fußballsports. Schließlich steht als nächstes das Spiel unseres FC HANSA am Hamburger Millerntor an.
Ich werde im Folgenden vor allem Zitate aus diversen Veröffentlichungen der letzten sechs Wochen aneinander reihen, die direkt oder indirekt etwas mit dem Spiel zu tun haben. Los geht es mit dem Stadionheft-Vorwort des 1860-Geschäftsführers das Anfang Februar für Aufregung sorgte: „Liebe Löwenfans, welchen unserer Gegner können Sie am wenigsten leiden? […] Sicher sind Ihnen schlagartig mindestens zwei Kotzbrocken-Vereine eingefallen. Innerlich haben Sie sich schon die Hasskappe übergestülpt, ohne eigentlich genau zu wissen, warum? Mir geht es übrigens genauso.“ Ich fand dieses Vorwort übrigens überhaupt nicht skandalös sondern einfach nur ehrlich, Bundesliga-Geschäftsführer sind eben auch nur Fans.
Es folgt ein Zitat aus der „Greif Zu!“, dem Infozine der Rostocker Suptras, erschienen am 5. März 2010 zum Spiel gegen Ahlen: „[…] und nun ein Appell an diejenigen, die sich dem Ultraumfeld dazugehörig fühlen, haltet die Augen auf und steht für Eure Prinzipien ein. NIE NIE NIE wieder darf es einem Gästeanhang so leicht gemacht werden sich ungeschoren so frei rund um unser Stadion zu bewegen!!!“
Am 8. März trafen sich dann die Fanbeauftragten der Lizenzvereine in Bochum und schrieben an alle deutschen Fußballfans einen offenen Brief, Zitat: „Wir fordern deshalb Verantwortung und Respekt von euch, wie ihr sie auch von allen anderen erwartet. Ihr seid verantwortlich für euch, eure Fanszene und die Fankultur, die ihr am Leben erhalten wollt. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie sich die Fankultur von Innen heraus selbst zerstört.“
Am 11. März war dann auf kicker-online ein Text mit der Überschrift „Brandherd Kurve“ (Unterüberschrift: „Mehr Beschwerden besorgter Stadiongänger“) zu lesen. Daraus drei Zitate: „810.300 Euro hat der DFB verschiedenen Stiftungen überwiesen, die Summe aus Ordnungsgeldern und Vertragsstrafen des Jahres 2009. Der überwiegenden Teil war dem Konto Fan-Ausschreitungen, Kostenstelle Pyrotechnik zu verdanken […] DFL-Fan-Experte Schneider, ein Frontmann seit den bösen Achtzigern, warnt plakativ: ‚Pyromanen zerstören die Stehplätze.‘ Soll heißen: Die Freiräume, die Fan-Aktivisten dem ‚modernen Fußball‘ mühsam abgerungen haben, sind hochgradig gefährdet […] Drohen ‚Geisterspiele‘ oder gar Nacktscanner vorm Block, wie ein Polizeiführer verblüfften Liga-Vertretern in Aussicht stellte?“
Und am Samstag den 13. März stürmten dann im Berliner Olympiastadion 150 Ultras äußerst telegen das Spielfeld. Die Bilder davon waren so spektakulär, dass sie es sogar bis in Hausfrauen-Rentner-Formate wie „Drehscheibe Deutschland“ mittags im ZDF schafften. Am Montag danach war das Geschrei natürlich mal wieder groß. Zum Beispiel konnte man auf der DFB-Website den Sicherheitsbeauftragten Spahn mit folgenden Worten vernehmen: „Klar ist, dass durch Vorfälle wie in Berlin der Druck steigt und sich die Situation auch der friedlichen Fans nicht verbessert hat. Denn ich kann nicht ausschließen, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, die auch die Rechte der friedlichen Fans beschränken können.“ Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle Fanprojekt äußert sich dazu so: „Das wäre kontraproduktiv, weil man dann auch noch die anderen Gruppierungen innerhalb der Fanszene gegen sich aufbringen würde.“
Am 16. März wird dann die Pressemitteilung der Hamburger Polizei veröffentlicht. Dass sich in den letzten Wochen auf der HANSA-Website ziemlich viele Menschen an einer Diskussion zum Thema: „Wie schafft der FCH es, auch nur eine einzige Gästekarte für das Spiel gegen Pauli zu bekommen“ beteiligt hatten, zitiere ich hier nicht, weil ein Bericht darüber allein eine Kolumne füllen würde. Aber zwei Anmerkungen dazu. Zum Einen war ich überrascht wie viele Leute freiwillig bereit waren, ihr Ticket personalisiert zu erwerben. Und zum Anderen fand ich in all den vielen Meldungen keine einzige, die sagte: „Wir kümmern uns selber und zusammen darum, dass im Stadion kein Stress von HANSA-Fans ausgeht.“ Schade. Nun aber zur Pressemitteilung der Hamburger Polizei. Was war da zu lesen? Zitat: „Anhänger des FC Hansa Rostock fallen bis in die jüngste Zeit bei Heim- und Auswärtsspielen durch besonders ausgeprägte Gewaltbereitschaft auf“ Der FC St. Pauli gab auch gleich noch eine Pressemeldung raus, darin heißt es unter anderem: „Nachdem die Polizei Hamburg eine klare ‚Null-Lösung‘ (keine Gästefans) favorisiert hatte, erreichte der FC St. Pauli einen Konsens und einigte sich mit der Polizei auf folgendes Szenario: Die Gastmannschaft Hansa Rostock erhält keine Stehplatzkarten. Für die Nordtribüne im St. Pauli Stadion werden Hansa Rostock bis zu 500 Sitzplatzkarten (das sind 25% des gesamten Kontingents) zum personifizierten Verkauf, also gegen Vorlage von Personalpapieren, zur Verfügung gestellt.“ Und der FC HANSA Rostock bemerkt dazu: „Wir bedanken uns an dieser Stelle beim FC St. Pauli für das professionelle Gespräch in der vergangenen Woche.“ In der Zwischenzeit hatte ich erfahren, dass auch auf St. Pauli-Seite Karten für dieses Spiel nur an Mitglieder und Dauerkartenbesitzer verkauft wurden. Das heißt also, dass (theoretisch!) am Sonntag im Stadion am Millerntor nur Zuschauer sind, deren Personalien den Sicherheitsbehörden bekannt sind!
Aber nochmal zurück, am Tag nach den Pressemeldungen kam dann der baden-württembergische Innenminister Rech mit der Idee eines „Sicherheits-Euros“ auf die Stadion-Eintrittspreise, Zitat: „Die zusätzlichen Einnahmen aus dem Kartenverkauf sollten darauf verwendet werden, private Ordnungsdienste zu professionalisieren und Stadien sicherer zu machen“
Und gestern las ich auf der Seite Die-Mark-Online.de einen Artikel vom 17. März in dem es unter anderem heißt: „Für eine Abschaffung der Stehplätze hatte sich Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, nach den Fan-Randalen in Berlin stark gemacht. Die Ausschreitungen im Olympiastadion waren allerdings passiert, obwohl es dort gar keine Stehplätze mehr gibt.“ Weiter hinten in diesem Artikel wird der Sportdirektor des SC Freiburg Dufner wie folgt zitiert: „Die Politik tut immer so, als ob wir die Verursacher von Gewalt sind und dann auch zahlen müssen. Das stimmt aber nicht. […] Wie wäre es denn, wenn wir Geld dafür kriegen, dass wir das Problem haben? Wir sind doch praktisch die Streetworker.“
Und am 23. März lese ich dann abends im Teletext: „Wie das DFB-Sportgericht mitteilt, werden Kölner Fans vom Auswärtsspiel bei 1899 Hoffenheim am 10. April komplett ausgeschlossen. Es ist das erste Mal in der Bundesliga-Geschichte, dass eine derartige Strafe ausgesprochen wird.“
Willkommen in der schönen neuen Fußballwelt!