Das Spiel war noch nicht zu Ende, Toni Kroos (34) aber schüttelte den Kopf, als wolle er sagen: Nein, das darf nicht wahr sein. 119. Minute, Mikel Merino hatte für Spanien gerade das 2:1 erzielt, und der erfolgreichste deutsche Fußballer schien zu ahnen: Da geht nichts mehr. Er selbst war am Ende seiner Kräfte, geplagt von Krämpfen. Der Traum vom einzigen Pokal, der dem „Henkelgott“ noch fehlte – er verflüchtigte sich.
Nach dem Schlusspfiff seiner Weltkarriere lief Kroos ein wenig orientierungslos über den Rasen, ging dann jedoch zu den Schiedsrichtern, um abzuklatschen, ein letztes Mal. Dann rief der Stadionsprecher auch schon in sein Mikrofon, wohl wissend, wer einer besonderen Würdigung an diesem Abend bedurfte: „Auch wenn es nicht im Protokoll steht, euer Applaus für Toniii…“ – es folgte ein donnerndes: „Kroooos!“
„Wir hätten ihm gerne einen noch schöneren Abschied beschert“, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann, der den Weltmeister von 2014 erst zurückgeholt hatte, und betonte: „Er ist ein super Typ, hat eine außergewöhnliche Karriere gemacht, er ist Vorbild für viele Spieler.“ Und Kroos? „Ich bin froh“, sagte er, „dass ich dabei helfen konnte, dass Fußball-Deutschland wieder etwas besser geworden ist. Aber heute sind wir extrem traurig. Wir hatten ein großes Ziel, dieser Traum ist jetzt geplatzt.“
Wäre es nach Kroos gegangen, es wäre nicht das jähe Ende gewesen, und Joselu, sein bisheriger Mitspieler bei Real Madrid, hätte nicht recht behalten. „In den Ruhestand“, betonte der gebürtige Stuttgarter, wollten ihn die Spanier schicken. „Ich kann verstehen, dass das seine Idee ist“, antwortete Kroos darauf schmunzelnd. Das werde aber nicht passieren, „weil wir gewinnen“. Und nun passierte es doch.
34 Titel hat Kroos gewonnen, er ist der erfolgreichste deutsche Fußballer der Geschichte. Und wie gerne hätte er seine Weltkarriere mit dem 35. gekrönt, mit dem einzigen, der ihm noch fehlte. Seine Rückkehr in die DFB-Auswahl, gab er gerne zu, war schließlich immer mit dem Plan verbunden, „Europameister zu werden“. Und nicht zuletzt er selbst hatte die deutschen Hoffnungen genährt.
Eine „riesengroße Bedeutung“, sagte Kroos, habe dieser Henri-Delaunay-Pokal für ihn. Er werde aber auch „nicht am Boden zerstört“ sein, „wenn es nicht funktioniert“ und sein 114. Länderspiel sein letztes wäre. Warum sollte er auch? Klar, die Enttäuschung saß tief, aber Kroos hat schon für die Zeit nach der EM geplant. Er freue sich „sehr auf diesen Abschnitt“.
Kroos will sich intensiv um seine drei Kinder Leon, Amelie und Fin kümmern – und um die anderer Leute in der „Toni-Kroos-Akademie“ in Madrid. In jedem Ende liegt schließlich auch ein Anfang.
(SID)