Zeitreise: HANSA-Fan aus den Achtzigern

Die meisten von euch kennen sicher den Film „Good by Lenin“, die Story mit der DDR-treuen Mutter die erst nach der Wende wieder aus dem Koma erwachte. Diese Geschichte fiel mir ein, als ich am Sonntagabend vom Auswärtsspiel unseres FCH in Augsburg nach Hause kam.

Die meisten von euch kennen sicher den Film „Good by Lenin“, die Story mit der DDR-treuen Mutter die erst nach der Wende wieder aus dem Koma erwachte. Diese Geschichte fiel mir ein, als ich am Sonntagabend vom Auswärtsspiel unseres FCH in Augsburg nach Hause kam.

Ich dachte mir, wenn meine „Südwestkurve-Fanclub“-Jungs und ich so einen verdienten HANSA-Fan aus den 80iger Jahren dabei gehabt hätten (stattdessen hatten wir ne schlafende und Jerry Cotton lesende Oma im Abteil), wäre diesem kaum aufgefallen, dass wir nicht in der DDR-Oberliga unterwegs waren. Okay, während der Hinfahrt wäre ein, im Koma schlafender, Proband besser gewesen, denn wie hätten wir sonst einem DDR-Bürger erklären sollen, dass wir mit der österreichischen Bundesbahn zu einem Oberliga-Auswärtsspiel fahren?

Aber ab der Ankunft am Bahnhof hätte unser Kollege ruhig aufwachen können, denn von nun an war Vieles irgendwie wie früher: Empfang am Bahnsteig durch den örtlichen Polizeichor, hysterisch-durchgeknallte Polizeihunde, persönlicher Geleitschutz aus dem Bahnhofsgebäude (ohne Kiosk) und dann erstmal orientierungsloses dummes Rumstehen. Beim Erblicken des etwas kläglich wirkenden, und schlecht besuchten, Weihnachtsmarktes auf dem Bahnhofsvorplatz hätte unser Gast aus der Vergangenheit wahrscheinlich gesagt: „Da steht keiner an, also gibt’s auch keine Südfrüchte! Lasst uns zum Stadion gehen.“

Am Stadion angekommen, ging es mit den Erinnerungen an längst vergangene Zeiten gerade weiter: Sechs Kassen am Gästeeingang – und nur eine offen. Unser DDR-Gast (und wir auch) stellte(n) sich gehorsam und ohne Murren in die Schlange. Die Leibesvisitationen hinterm Einlass hätten wir unserem Begleiter einfach mit mehr Ärger auf den Rängen in den letzten Jahren erklärt. Die nächste Station brauchten wir allerdings nicht zu erklären – Getränkebude (natürlich nur eine von zwei offen). Wieder das so sehr gewohnte Spiel „Schlangestehen“ und als wir endlich dran waren, sind die zweieinhalb Kästen Flaschenbier gerade alle und das mit dem Fass läuft (noch) nicht. Erster leichter Unmut machte sich bei unserem Vergangenheitsgast breit und er fragte nach Alternativen. „Glühwein!“ „Also dann nehm ich zwei Glühwein!“ „Okay, macht 5,80“ kurzes Stutzen, aber dann…“Egal!“ Allerdings war dieser Glühwein hell und nicht dunkelrot, was unseren Gast zu der Aussage verleitete (hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen): „Wahrscheinlich ist der richtige Glühwein in den Westen gegangen und das hier ist irgend so ein chemischer Ersatz aus Leuna.“ Wir nickten zustimmend und vielsagend. Die letzte Station vorm Betreten der Ränge bedurfte ebenfalls keiner Erklärung – das Klo: offene Pinkelrinne, zwar in nem Container und nicht hinter ner Bretterwand, aber sonst alles beim Alten.

Nach dem Erklimmen der Ränge staunte unser zeitreisender Gast überhaupt nicht, alles kam ihm vertraut vor: ein Stadionrund ohne Bedachung sanft an die Anhöhe geschmiegt, Betonstufen ohne Sitzschalen, keine Videowürfel und VIP-Logen, selbst die Bandenwerbung sah so aus als würde da „IFA-Kombinat“ oder „Carl-Zeiss-Optik“ drauf stehen. Einzig die von Hand zu ändernde (Holz-)Anzeigetafel irritierte den Gestrigen. Sein Kommentar: „Also in der Oberliga sollte mittlerweile echt jedes Stadion eine Elekronische von Robotron haben.“ Wieder bekam er nur ein schweigendes, zustimmendes Nicken von uns. Seine Frage gegen wen wir denn heute eigentlich spielen, irritierte uns kurzzeitig, wurde dann aber unisono mit „Rot Weiß Erfurt“ beantwortet. Da die schon erwähnte Anzeigentafel in unserem Rücken (im Gästeblock!) stand, konnte unser Gast es nicht überprüfen, und war damit auch zufrieden. Da auch die Stadionbeschallung in der Rosenau ziemlich mies ist, bekam unser Vergangenheitsbewältiger gar nicht mit, dass das frühe Gegentor von einem örtlichen Autohaus präsentiert wurde. Stattdessen fragte er, warum HANSA ohne Libero spielt. Ich antwortete vage, dass sich da einiges verändert hat. Später fragte er dann noch, warum die vier HANSA-Spieler nur um den ballführenden Gegner herumstehen, statt ihn anzugreifen. Ich überlegte kurz ob ich ihm erklären soll, dass das immer dann passiert wenn man Raumdeckung falsch versteht und die Zuordnung nicht stimmt, aber ich kommentierte seine Frage lieber mit einem mehrdeutigen Achselzucken. Das zweite Gegentor bekam unser Zeitreisender übrigens gar nicht mit, weil er sich über die vielen Menschen mit diesen kleinen Geräten am Ohr wunderte. Wir erklärten ihm glaubwürdig, dass es sich hierbei um eine Weiterentwicklung des Walkmans handelte, man kann damit Musik hören und braucht nicht mal Kopfhörer. Direkt nach dem Abpfiff verließen wir das Stadion und unser imaginärer Begleiter meldete sich ein letztes Mal zu Wort: „Naja, gegen Erfurt verlieren ist keine Schande. Nächsten Samstag im Ostseestadion biegen wir die Sache wieder hin.“ Sprach’s und verschwand. Wir dachten nur: „Wenn du wüßtest!“ und machten uns frustriert auf den Rückweg. Eigentlich gut, dass er nun nicht mehr dabei war, denn für Döner, Cheeseburger und bayerisches Bier hätten wir wohl kaum brauchbare Erklärungen gefunden.

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Von Olaf Peters

Olaf Peters, Jahrgang 1971, war mit sieben das erste Mal im Ostseestadion und leidenschaftet seit dem mit unserem FCH.

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