Betritt man unser Haus, insbesondere mein Arbeitszimmer (Hansa-Zimmer), wird einem sofort klar, womit ich meine freie Zeit verbringe und wo ein großer Teil des mühsam verdienten Geldes bleibt. Zahlreiche Fan-Utensilien des FC Hansa zieren Wände und Regale, in den Schränken stehen, nach Jahrgängen sortiert, blaue und weiße Ordner voller Programmhefte und Eintrittskarten. Was andere während des Spiels beziehungsweise danach wegschmeißen, knicken, rollen, als wärmende Unterlage benutzen trage ich nun mühevoll zusammen.
Zum Fußball kam ich, wie so manch anderer Junge auch: Mein Vater hat mich mit ins Stadion genommen (wahrscheinlich so 1967 oder 1968) und ich bin dabeigeblieben. Wir wohnten damals in Rostock und so konnte es natürlich nur Hansa sein! Mein erstes eigenes Heft kaufte ich am 4. September 1976 beim Spiel Hansa gegen Wismut Aue. Seitdem wurden es ständig mehr. Zu DDR-Zeiten habe ich mein gesamtes Taschengeld in Fußballprogrammen „angelegt“. Zu diesen Zeiten habe ich pro Heimspiel 200 bis 300 Hefte gekauft und in der ganzen DDR verschickt. Ich sammelte damals Hefte aller Oberliga- und Liga-Mannschaften sowie aller DDR-Länderspiele und der Europacupspiele.
Es gab vor dem Ostseestadion (neben dem Kindergarten) Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre einen richtigen Programm- und Souvenirmarkt. Regelmäßig wurden die Hefte auch bei den Heimspielen von Schifffahrt und Bau getauscht und gehandelt. Das Programmsammeln war wohl damals auf seinem Höhepunkt in Rostock. So habe ich vom Auswärtsspiel beim 1. FC Magdeburg am 22. August 1981 circa 300 Hefte mitgebracht und diese dann beim nächsten Heimspiel gegen den BFC Dynamo eine Woche später komplett verkauft. So finanzierte ich damals mein Hobby und die Auswärtsfahrten mit Hansa quer durch die DDR. Ich hatte damals Tauschpartner für Programme in der ganzen Republik. Es wurden, je nach Gegner, 100 bis 300 Programmhefte verschickt. Zu Auswärtsspielen fuhr ich immer mit einer großen Tasche, um auf den dortigen Märkten vor den Stadien „Geschäfte“ zu machen. Circa 1984 wurde dann der Tauschplatz vor dem Ostseestadion für die Fußballsouvenirs von höchster Stelle aus eingeschläfert und wir hatten keine Möglichkeit mehr so viele Sammler regelmäßig zu erreichen. Der Kreis der Sammler in Rostock wurde kleiner.
Ab Mitte der 80er Jahre bin ich dann zur See gefahren und das Sammeln wurde schwieriger. Meine Schwester hat die Hefte weitergesammelt und immer an alle Tauschpartner verschickt. Das lief durch die gute Vorbereitung von mir auch problemlos. Die Hefte waren bestellt und die Briefumschläge lagen fertig da. Wenn man bedenkt, dass es damals kein Telefon gab und alles mit Briefen geklärt werden musste, eröffnet einem die heutige Technik ganz andere Möglichkeiten und alles ist einfacher.
Dann kam die Wende. Ich fuhr immer noch zur See, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Das Hobby lief so nebenbei weiter. Ich schränkte die Sammlung aber stark ein. Ich ging damals nicht einmal mehr zu allen Heimspielen, meine Ex-Frau wollte es nicht (Wie blöd war ich damals eigentlich?). Ich sammle seit Anfang der 90er Jahre „nur noch“: Programme und Eintrittskarten von allen Rostocker Mannschaften, DDR-Länderspiel- und Europacuphefte sowie deutsche Länderspiel- und Europacuphefte. Diese habe ich auch fast vollständig. Die vielen DDR-Hefte der Oberliga und Liga wurden zum großen Teil bei Ebay oder auf Tauschbörsen verkauft.
Ich bin seit 2000 zum zweiten Mal verheiratet und alles ist gut! Meine Frau hat auch eine Jahreskarte bei Hansa, kommt ab und zu mal auswärts mit und toleriert (und finanziert) meine Leidenschaft mit. Die aktuellen Hefte der Bundesliga, Länderspiele und Europacup sind eigentlich relativ problemlos über Mitfahrer, Ebay und Tauschbörsen zu bekommen. Problematischer wird es bei den unterklassigen Mannschaften der Oberliga, Verbandsliga und Landesliga aus dem Raum Rostock. Es besteht keine Chance, die Hefte vollständig zu sammeln, ist aber auch nicht so tragisch.
Das Sammeln von Stadionheften ist in der jetzigen Zeit deutschlandweit eine sehr exotische Leidenschaft. Mir sind hier aus unserem Verein nur ca. zehn Leute bekannt, die dieses Hobby haben und auch jetzt noch aktiv sammeln. Junge Leute sind leider nicht dabei. Bestimmt spielt auch das Geld eine Rolle und viele haben es einfach nicht, schade… Vielleicht gibt es den einen oder anderen Sammler noch weiter in unserem Verein. Wenn jemand Kontakt sucht, kann er sich gerne melden.
In England ist der Umfang des Sammelns ganz anders. Dort gibt es Zehntausende von Sammlern, Programmshops und jede Woche mehrere Tauschbörsen. Bei uns in Deutschland gibt es vielleicht 20 derartige Veranstaltungen. Das Sammeln von Programmen und Tickets hat dort einen ganz anderen Stellenwert. Da kann ich nur neidvoll auf die Insel blicken.
Mein ältestes Heft stammt aus dem Jahr 1926, am 27. Oktober 1926 spielte der Warnemünder Sport-Verein gegen den Parchimer Sport-Club. Schwierig, noch so alte Exemplare zu bekommen. Wer weiß, wie viele auf den Böden oder Kellern vermodern, wie viele gedankenlos weggeworfen werden – das tut schon ziemlich weh und ist sehr schade.
Trotzdem habe ich es mit den Jahren auf 5 300 Programme (davon 2.400 von Hansa und Empor Rostock) und 2.200 Eintrittskarten gebracht. Das Sammeln von Hansa- und Empor-Heften steht natürlich im Vordergrund. Die für mich wertvollsten Hefte sind u.a. die EC-Hefte von 1968 bis 1969, das 1. Pokalfinale von Empor 1955, das Heft von der Eröffnung des Ostseestadions 1954 sowie die Länderspiele in Rostock. Diese Hefte dürften wohl nicht mehr so häufig auftauchen. Seit Klubgründung am 28. Dezember 1965 fehlen mir nur noch fünf Punktspielhefte, davor sind die Lücken leider etwas größer.
Bedauerlicherweise zeigen die Verantwortlichen bei Hansa gar kein Interesse an einer solchen Sammlung. Das finde ich sehr traurig, denn bei Hansa gibt es nichts Vergleichbares. Die Traditionspflege und der Aufbau eines eigenen Archivs oder sogar eines Museums wären doch eine schöne Sache. Entweder fehlen die finanziellen Möglichkeiten, die Zeit oder vielleicht auch die richtigen Leute. Meine Hilfe hatte ich schon öfters angeboten. Bedarf bestand von Hansa-Seite noch nicht.
Das Zusammentragen ist ein äußerst zeit- und kostenintensives Hobby und das Vervollständigen so einer Sammlung geht recht schleppend voran, Tauschbörsen, Ebay und Zeitungsinserate erweisen sich dabei als recht nützlich. Wenn jemand solch alte Sachen liegen hat und sie gerne abgeben möchte…
Aber was soll’s. Wäre ja auch langweilig, wenn man schon alles hätte… schön wäre es aber trotzdem!
Glück für mich: Die Familie denkt wie ich – alles Hansa-Fans!
Ulf Hunger (schroeder62)
Hinweis: Ihr könnt Ulf Hunger unter der Telefonnummer 038207 70582 oder per E-Mail unter ulf.hunger@t-online erreichen.