Unterwegs mit Hansa-Pressesprecher Lorenz Kubitz

Was macht ein Pressesprecher eigentlich an einem Spieltag und wie sieht sein Arbeitsalltag aus? Ein Blick hinter die Kulissen des Drittligisten FC Hansa Rostock verrät einiges. Hansa-Autor Hannes Hilbrecht war hautnah dabei.

Was macht ein Pressesprecher eigentlich an einem Spieltag und wie sieht sein Arbeitsalltag aus? Ein Blick hinter die Kulissen des Drittligisten FC Hansa Rostock verrät einiges. Hansa-Autor Hannes Hilbrecht war hautnah dabei.

Es ist Samstag, 12 Uhr. In zwei Stunden soll die Partie zwischen dem gastgebenden FC Hansa Rostock und der Spielvereinigung aus Unterhaching angepfiffen werden. Die Sonne scheint, es ist warm. Folglich nicht das beste Wetter um in ein Sakko zu schlüpfen. Treffpunkt ist die Rostocker Geschäftsstelle, pünktlich nimmt Pressesprecher Lorenz Kubitz mich in Empfang. Ich werde ihn heute auf Schritt und Tritt verfolgen. Die erste Station auf diesem Weg ist das Büro.

Im ersten Stock befindet sich das Arbeitszimmer des 29-jährigen Kubitz. Eine Tür trennt den separaten Bereich in dem die Büroräume der Vorstandsmitglieder liegen von den übrigen Geschäftsräumen. Zwar ist der Hansa-Pressesprecher kein Vorstandsmitglied, jedoch war es der Wunsch des Vorstandsvorsitzenden Michael Dahlmann, seine rechte Hand in Kommunikationsfragen im unmittelbaren Umkreis zu positionieren.

Protzig, wie es in der Fußballbranche vielleicht erwartet wird, ist es nicht. Der im Hansa-Blau gehaltene Teppich hat seine besten Jahre hinter sich, man erkennt schnell, dass für optischen Luxus kein Budget vorhanden ist. Nicht tragisch, sondern eher authentisch. Zwei Hansa-Trikots hängen an der Wand, eins aus dem Aufstiegsjahr 2010/2011 und eines aus der folgenden Zweitliga-Saison. Für den Deutsch-Rumänen Kubitz besondere Andenken, wie er im Einführungsgespräch erklärt: „Beide Trikots sind unmittelbar mit meinen Stationen beim FC Hansa verbunden. Die Saison 2010/11 war mein erstes Jahr beim FC Hansa, für den ich damals ehrenamtlich arbeitete, im Folgejahr folgte meine Festanstellung.“ Neben den Hansa-Trikots fällt auch eine Kiste mit Bayern-Trikots ins Auge, es sind die Trikots aus dem Benefizspiel, die der studierte Jurist zum Wohle des klammen Hansa-Kontos auf einer Aktionsplattform versteigert. „Früher wäre das die Aufgabe der Marketing-Abteilung gewesen“, erklärt Kubitz. „Nach der aus finanziellen Gründen notwendigen Auflösung übernehmen wir es mit“.

Für ein etwas längeres Gespräch bleibt kaum Zeit, der nächste Termin seines Arbeitstages, der morgens um halb acht mit der Zeitungslektüre beginnt, wartet bereits. Wir treffen uns mit Arvid Langschwager und Marit Scholz sowie den anderen Protagonisten des ehrenamtlichen Hansa-Media-Teams. Das mediale Begleitprogramm, allen voran das Hansa-Fanradio, welches am heutigen Spieltag Felix Kothe und Arvid Langschwager moderieren werden, wird detailliert durchgesprochen. Ein Herzensprojekt für den FC Hansa, wie Kubitz klarstellt: „Wir mussten viel improvisieren und kreativ sein, um Hansa-Media trotz der geringen Mittel weiterhin in dem Umfang produzieren zu können. Es ist die Mühe aber absolut wert.“

Anschließend geht es zum Stadion. In Begleitung mit Hansa-Chef Michael Dahlmann, der auf den Fußweg zum Stadion mit seinem Angestellten weitere Besprechungen führt. Der erste Weg führt in die Geschäftsbereiche der DKB-Arena. Vom Ticket-Chef des FC Hansa werden kurzfristig angeforderte Karten abgeholt, die in der Geschäftsstelle hinterlegt werden sollen. Ein typischer Botengang für einen Praktikanten, doch erledigt Kubitz diese müßige Aufgabe selber. Einer der Karten-Adressaten ist Sänger und Hansa-Fan Marteria, der die Karten jedoch selber bezahlen wird, wie mir erklärt wird.

Es folgt erneut der Weg zurück zum Stadion, am Fanhaus grüßen die erwartungsvollen Fans, mit Bier und Bratwurst gut bestückt, äußerst freundlich. Im Stadion wartet nach zahlreichen Small-Talks, unter anderem mit Teammanager René Chaberny und Vorstandsmitglied Rainer Friedrich. Der Gang in den Innenraum des Stadions. Neunzig Minuten vor Anpfiff sind die Ränge verweist, eine gespenstische Ruhe liegt über den Rasen. Selbst für die meisten Journalisten ist der Innenbereich eine Tabuzone, lediglich mein heutiges Adjutanten-Dasein ermöglicht mir dieses Erlebnis. Ein Privileg, dass Medienmann Kubitz auch im dritten Dienstjahr sehr zu schätzen weiß: „Es ist ein absoluter Traumjob, der mir zu Teil wurde. Dem bin ich mir absolut bewusst“. Ein Traumjob ist es für Kubitz vor allem aufgrund seiner Passion für den FC Hansa, wegen dem es ihm vor fast zehn Jahren vom tiefsten Bayern ins ferne Rostock verschlug. Der Blick in die blauen Sitzreinen lässt den ehemaligen Oberliga-Spieler emotional werden: „Die Bedingungen hier sind doch mindestens 2. Bundesliga, wenn nicht sogar erstklassig.“ Wahre Worte.

Doch zum Lamentieren bleibt nicht lange Zeit, im Innenraum erwartet uns bereits der Aufnahmeleiter des Norddeutschen Rundfunks. Besprochen werden vor allem die Positionierung der Kameras und die anschließende Nutzung der TV-Bilder für entsprechende Videoanalysen der Mannschaften. Während der Pressesprecher die Schiedsrichter begrüßt, die den Platz inspizieren, verwickle ich NDR-Mann Marcel Wellner in ein kurzes Gespräch, welches interessante wie auch überraschende Fakten ans Tageslicht bringt. „Bei Livestream-Übertragungen sind 30 bis 45 Mann im Einsatz. Vom Techniker, über den Kameramann bis zum Kommentator“, erklärt der Fachmann.

Begleitet wird die heutige Partie übrigens von sieben Kameras, wobei gerade die am Spielfeldrand postierten Geräte strengen Auflagen unterliegen. Sie dürfen weder die Sicht von den Trainerbänken behindern, noch zu nah am Spielfeld postiert sein, um Verletzungen der Akteure zu vermeiden.

Auf dem Rückweg zum Stadion erklärt Kubitz, dass nicht jeder im Verein über die heutige Live-Berichterstattung bei einem Heimspiel glücklich ist: „Das sind wieder über den Daumen 1.000 Zuschauer weniger im Stadion“, resümiert aber auch anschließend: „Es ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite fehlen die Besucher, anderseits wird der FC Hansa überregional präsentiert“.

An den Kabinen vorbei, in der sich die Mannschaft samt Trainerteam bereits seit zwei Stunden vor Spielbeginn aufhält, geht es in Richtung Presse- und Medienraum. Aufgrund meiner Rolle als Begleiter fällt der obligatorische Gang in den sensiblen Bereich Mannschaftskabine allerdings aus, den der in Bayern aufgewachsene Kubitz sonst dafür nutzt, den Spielern noch einmal alles Gute zu wünschen. Die aktuelle Mannschaft ist eine, die ihm viel Freude abseits des Platzes beschert erklärt der Hobbykicker, der Mittwochabends gerne mal mit Vereinsangestellten und Medienvertretern Fußball spielt: „Die Mannschaft hat sich wirklich gefunden und hält sehr gut zusammen. Die Truppe hat sich selbst auferlegt, nicht über von außen herangetragenen Ziele wie den Aufstieg zu sprechen. Das kam aus der Mannschaft und wurde von der Vereinsführung nicht vorgegeben“ und ergänzt „Wir haben uns darüber natürlich sehr gefreut, dass das Team gerade im Hinblick auf die letzte sehr enttäuschende Saison sich von Anfang an in Bescheidenheit übte“.

Lauter wird der Tonfall des Kommunikationsfachmann, der sonst eher leise und ausgeglichen spricht, als er von einem Vorfall aus der letzten Woche berichtet: „Auf einmal liest man in einer regionalen Zeitung und in einem überregionalen Sportmagazin , dass einer unserer Spieler mutig vom Aufstieg spricht. Dieses war aber definitiv nicht der Fall. Es ärgert mich, wenn so etwas passiert. Das führt unweigerlich dazu, dass die Spieler bald nur noch in Floskeln antworten, da einfach das Vertrauen zu den Medien verloren geht“ und fügt hinzu „Die Leidtragenden sind dann auch die Medien, die eigentlich sauber arbeiten.“

Im Medienraum tummeln sich währenddessen die altbekannten Gesichter. Ob Radiolegenden wie Sven Krise und Jan Didjurgeit, die über die Höhe des Sieges debattieren, oder Zeitungskollegen von BILD, NNN und Ostsee Zeitung, der Raum ist ordentlich gefüllt. Fünfzig Medienvertreter und Scouts, die ebenfalls auf der Pressetribüne untergebracht werden, sind Gang und Gebe bei einem Drittliga-Spiel. Heute ist dagegen ein vergleichsweise ruhiger Tag. Das sah beim Spiel gegen Bayern München noch ganz anders aus, als sich weit über 200 Journalisten in der DKB-Arena aufhielten. Allgemein ist der FC Hansa was das Medien-Interesse angeht ein Spitzenteam in der dritten Liga, wie Kubitz erklärt: „Es gibt Auswärtsspiele, da sind vielleicht 15 Medienvertreter vor Ort. Das ist beim FC Hansa undenkbar. Vor allem nach dem guten Saisonstart wächst das Interesse hier wieder spürbar“.

Beim Überfliegen der Startaufstellungen erwischen wir Stadionsprecher Struppi, der von Kubitz mit neuen Produkten aus dem Fanshop versorgt wird. Ein Stadionsprecher der auch als Model für den Merchandise fungiert- die kreative Doppelbelastung ist „In“ beim FC Hansa.

Zeit für einen Snack im Presseraum, denn Pressemann Kubitz weilt beim Termin mit den Sicherheitsleuten. Eine weitere Tabuzone für mich als begleitenden Journalisten. Um 13.30 Uhr, die ersten Fangesänge sind bereits seit einiger Zeit zu vernehmen, geht es endlich auf die Tribüne. Immer wieder ein magischer Moment, wenn das zarte Grün durch den Blockeingang ins Auge fällt. Pressemann Kubitz quittiert den von mir verbalisierten Gedanken mit einem zustimmenden Kopfnicken.

Es folgte der Check beim Fanradio, ein permanent erklingendes Diensttelefon aus dem Hause Apple, ein Small Talk mit dem noch angeschlagenen „Mucki“ Kucukovic und eine weitere Runde des Händeschüttelns. Anpfiff, das Spiel nimmt seinen Lauf. Mit einem fassungslosen Hände über den Kopf schlagen beobachtet Kubitz die ersten vergebenen Chancen durch Savran und Blacha, mit einem konsternierten Kopfschütteln wird der bittere 0:1 aufgenommen.

Die Mannschaft spielt gut, erspielt sich zu Hauf Chancen, die zum großen Teil kläglich vergeben werden. Von Emotionen gespannt, verfolgt der Pressesprecher die im Sande verlaufenen Angriffsbemühungen. Es fällt dem Sohn einer Rumänin und eines Deutschen sichtlich schwer die Contenance zu wahren. Doch beinhaltet der Job während des Spiels nicht nur das Fußballgucken, auch ein informeller Gang zu den Journalisten gehört zum Pflichtprogramm.

Halbzeit. Trotz des Rückstands hat der 29-Jährige sein Lächeln nicht verloren. „Das gewinnen wir noch“, erklärt er voller Optimismus. Freilich, kaum einer der Anwesenden widerspricht ihm. Der gängige Duktus: „Das Ding wird noch gedreht“. Ein Irrglaube, wie es die nächsten 45 Minuten zeigen sollten. So bleibt auch eine Sirtaki-Einlage der Zuschauer auf den Rängen aus, die es zuletzt bei Ioannidis Debüttreffer im Stadion gab. Kubitz hatte angeregt, den griechischen Kult-Song bei der Verpflichtung des jungen Griechen ins Repertoire des Stadion-DJs aufzunehmen.

Die glückliche Miene vom Mittag ist verflogen, die Enttäuschung vermag Kubitz kaum verbergen. Während die Pressemeute auf die Spieler wartet, die von der unverdienten Niederlage gefrustet den schnellen Weg in die Kabine suchen, beobachtet der Wahl-Rostocker das Treiben und führt den TV-, Radio und Print-Journalisten die angefragten Spieler zu den Interviews zu. „Die Mannschaft hat nicht schlecht gespielt, sie hat sich nur nicht belohnt“, analysiert er im letzten Zwiegespräch vor der Hansa-Kabine. Hansa-Cheftrainer Andreas Bergmann betritt wie immer als einer der letzten den Weg zur Kabine. Fünf Minuten später geht es für Kubitz, Bergmann und den Gästetrainer zur Spieltags-PK. Für mich endet der Arbeitstag an dieser Stelle.

Kurzportrait von MV1Sportjournal

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